„Seht, ich habe es euch doch gesagt, wir sollen die Menschen fröhlich machen.”

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Gottesdienst zum 19. Sonntag nach Trinitatis, 18.10.2020, zum Nachhören

Kruzifix von Ernst Barlach auf dem Kreuzaltar (Foto: Bernhard Dietrich)

Wir feiern den Gottesdienst zum 19. Sonntag nach Trinitatis (18. Oktober) mit Propst Helmut Wöllenstein in der Elisabethkirche mit corona-bedingt begrenzter Besucherzahl. Für diejenigen, die (deshalb) nicht persönlich anwesend sein konnten, haben wir hier einen Gottesdienst zum Nachlesen mit den Lied-, Lesungs- und Predigttexten vorbereitet.

Gottesdienst zum 19. Sonntag nach Trinitatis aus der Elisabethkirche: In seiner Predigt nimmt Propst Helmut Wöllenstein eine geistliche Betrachtung des von Ernst Barlach geschaffenen Bronze-Kruzifix mit dem gekreuzigten Christus vor. Dieses Barlach-Kreuz wurde 1931 erstmals auf dem Kreuzaltar der Elisabethkirche aufgestellt - eine bewegte Geschichte folgte. Aber er steht heute immer noch da - liebgewonnen.
Dazu lautet Wöllensteins persönliche Bewertung so: "Der Barlach-Christus ist für mich wie ein Diamant in einer reich verzierten Fassung. Christus ist unsere Mitte!"

Sie sind jetzt nun eingeladen, die Texte dieses Gottesdienstes zu lesen. Suchen SIe sich zuvor einen stillen Ort. Machen Sie es sich bequem. Vielleicht zünden Sie eine Kerze an. Singen, lesen und beten Sie mit. Wir wünschen Ihnen Gottes Segen.

(Lese-)Gottesdienst zum 19. Sonntag nach Trinitatis
18. Oktober 2020

mit Propst Helmut Wöllenstein

[Text- und Liedblatt als PDF-Download hier klicken]


Musik zum Eingang: „Kyrie“ aus der Messe von Michael Haydn


Begrüßung

Der Friede Gottes sei mit euch allen: Amen

Herzlich willkommen zum Gottesdienst in der Elisabethkirche. Heute ist der 19. Sonntag nach Trinitatis. Sein Leitwort: „Heile du mich Herr, so werde ich heil; hilf mir so ist mir geholfen.“ (Jeremia 17,4) Eine Bitte, die berührt. Eigentlich immer – und doch gerade jetzt, wo die Bedrohung durch Corana wieder steigt, hier bei uns in Stadt und Land. Da ist es auch tröstlich die schöne Musik zu hören. Seit langem singt unsere Kantorei wieder einmal im Gottesdienst, in einer Auswahl. Wir freuen uns sehr. Wir hören sie gleich noch einmal mit einem Lied, das in den Herbst gehört, in die letzten Wochen des Kirchenjahres: Wachet auf, ruft uns die Stimme“


Kantorei: Wachet auf, ruft uns die Stimme, Mendelssohn-Bartoldy


Psalmgebet im Wechsel

Ach Herr, strafe mich nicht in deinem Zorn
Und züchtige mich nicht in deinem Grimm!
     Herr, sei mir gnädig, denn ich bin schwach;
     Heile mich, Herr, denn meine Gebeine sind erschrocken
und meine Seele ist sehr erschrocken.

Ach du, Herr, wir lange!
     Wende dich, Herr, und errette mich,
     hilf mir um deiner Güte willen!

Weichet von mir, alle Übeltäter,
denn der Herr hört mein Weinen.
     Der Herr hört mein Flehen,
     mein Gebet nimmt der Herr an.

Ehr sei dem Vater… (gesprochen)


Gebet

Gott, du hast Macht, uns zu heilen. Dein Wort tröstet, deine Nähe gibt Hoffnung. Wir bitten dich, sprich zu uns. Stärke in uns alle guten Kräfte. Lass uns glauben und vertrauen, damit wir leben, heute, morgen und in Ewigkeit.


Lesung Jesaja 52,13, und 53, 4-5

Siehe, meinem Knecht wird´s gelingen, er wird erhöht und sehr hoch erhaben sein.
Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre.
Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.

Halleluja


Glaubensbekenntnis


Gemeindelied EG+ 102 1&3

1.
Da wohnt ein Sehnen tief in uns, o Gott,
nach dir, dich zu sehn, dir nah zu sein.
Es ist ein Sehnen, ist ein Durst nach Glück,
nach Liebe, wie nur du sie gibst.
Um Frieden, um Freiheit, um Hoffnung bitten wir.
In Sorge, im Schmerz, sei da, sei uns nahe, Gott.

3.
Da wohnt ein Sehnen tief in uns, o Gott,
nach dir, dich zu sehn, dir nah zu sein.
Es ist ein Sehnen, ist ein Durst nach Glück,
nach Liebe, wie nur du sie gibst.
Um Heilung, um Ganzsein, um Zukunft bitten wir.
In Krankheit, im Tod, sei da, sei uns nahe, Gott.

 

Predigt

Liebe Gemeinde, heute holen wir ein kleines Jubiläum nach. Es betrifft unser Altarkreuz. Ernst Barlach hat es geschaffen. Der Künstler hatte am 2. Januar dieses Jahres seinen 150. Geburtstag. Zu der wechselhaften Geschichte der Bronzeplastik, die in der Nazizeit als entartete Kunst aus der Kirche entfernt wurde und um ein Haar eingeschmolzen worden wäre, können Sie heute Nachmittag mehr hören aus berufenen Munde. Frau Lührmann lädt um 16 Uhr zu einer Sonderführung ein. Ich möchte Sie heute Morgen mitnehmen zu einer geistlichen Betrachtung.

Das Kreuz hat seinen Platz auf dem sogenannten Kreuzaltar, der seit 1287 Christus geweiht ist. Immerhin blieb in hochkatholischen Zeiten, als es etlicheAltäre in diesem Haus gab, die etlichen Heiligen geweiht waren, die Kirche selbst war der Maria geweiht, Christus in der Mitte. Das wird gerade durch dieses andere, moderne Kunstwerk in einem Kosmos wertvoller gotischer Kunst in diesem Haus betont. Der Barlach-Christus ist für mich wie ein Diamant in einer reich verzierten Fassung. Christus ist unsere Mitte!

Aber wie fein wird das betont, wie zurückhaltend, wie wenig pathetisch. So wie er selbst war, auf den das Kreuz verweist. Du kommst in die Kirche durch den Mittelgang, und du begegnest ihm. Aus dem Zentrum des Raumes schaut dich mit geschlossenen Augen der gekreuzigte Christus an. Wenn ich auf diesen Kruzifixus zugehe, oder wenn ich hier vorne vor ihm stehe, habe ich das Gefühl, du darfst immer noch einen Schritt näherkommen. Er zieht dich an. Von Kindern wird diese schöne Geschichte erzählt. Sie kamen in die Kirche, eins von ihnen sah das Bild und sagte sofort: Das ja wie bei dem Spiel „Wer kommt in meine Arme“. Man ist noch klein, lernt laufen, fällt hin und weint. Doch die offenen Arme der Mutter oder des Vaters lassen einen wieder aufstehen. Sie strahlen, wenn man zu ihnen läuft. Sie schließen einen in die Arme, streichen einem übers Haar, und aller Kummer ist vergessen.

Dieser Christus ist nicht der dramatisch Leidende, mit hängendem Kopf und schmerzverzerrtem Gesicht, wie er so oft dargestellt wird. Er ist auch nicht der heldenhafte Überwinder, so dass man ihm nur mit Abstand und Respekt vielleicht sogar mit Angst begegnet. Erst recht ist er kein Triumphator, der von seinem Kreuz aus Menschen zu einem Kreuzzug bewegen will – wie es dem Christentum oft vorgeworfen wird. Er ist einfach Mensch, einer der leidet. Mit einem ernsten stillen Gesicht. Er ist am Ende und doch aufrecht. Seine offenen Armen sind nicht nur seitlich festgenagelt, sondern sie öffnen sich. Sie empfangen dich, wenn du kommst. Und sie segnen dich, wenn du gehst.

Ernst Barlach hatte das Kreuz im ersten Weltkrieg für einen Soldatenfriedhof im Osten geschaffen. Den preußischen Auftraggebern war es nicht kräftig genug als Bild des Erlösers, der alles Leid überwindet. Doch gerade darin entspricht dieser Gekreuzigte dem, was die Bibel über ihn erzählt. Er klagt „mein Gott warum hast du mich verlassen“. Und gibt sich zugleich in Gottes Arme: „In deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Diese Spannung, in die wir Menschen gestellt sind, wenn wir leiden, wird hier nicht zu einer Seite hin aufgelöst. Beides bleibt stehen: Schmerz, Ohnmacht, das Ende des Lebens vor Augen, die Augen schon geschlossen – und auf der anderen Seite Vertrauen. Und dass du darin aushältst, dass du durchkommst, kannst du nicht machen. Bleibt unverfügbar. Es kann dir in diesem Augenblick nur geschenkt werden. Du lässt dich los, lässt alles los - und wirst frei. „In deine Hände befehle ich meinen Geist.“

Wir werden jetzt in Zeiten der Corona oft gefragt: Wo bleibt eigentlich die theologische Deutung der Kirche zur Pandemie? Ist sie eine Strafe Gottes? Ist sie ein Ruf zur Umkehr? Oder wo bleibt darin die Allmacht des Schöpfers? - Meine Deutung orientiert sich ganz stark am Kreuz Christi. Gott leidet. Gott selbst ist an unserer Seite, ist uns nah, und wir sind ihm nah. Darin, dass wir verwundbar sind und darin, dass wir andere verwunden. Darin, dass wir großartige Hilfe für andere leisten und darin, dass wir Dinge versäumen und kläglich versagen. Darin, dass wir allein sind und darin, dass wir andere allein lassen. Darin, dass wir Vergebung brauchen.

Wir haben es vorhin in der biblischen Lesung aus dem Jesajabuch gehört. „Er trug unsere Krankheit, er lud auf sich unsere Schmerzen, durch seine Wunden sind wir geheilt.“ –Warum haben die ersten Christen diese viel älteren Texte auf Jesus bezogen, auf den Gekreuzigten? Ich nehme an, sie haben sich erinnert: Jesus hat Menschen geheilt. Stumme konnte wieder sprechen. Menschen, die nicht sehen konnten, gingen die Augen auf. Menschen mit Lähmung warfen ihre Krücken weg und gingen frei ihre Wege. Nun könnte man denken, alle hätten ihm zugejubelt, diesem Jesus. Aber das haben sie nicht. Denn er war zugleich unbequem. Auch wenn er Menschen heilte. Er hielt sich nicht an alle guten Sitten und Gesetze. Nicht mal an die Abstands- und Hygieneregeln hielt er sich – wobei ich sagen muss, darin ist Jeus für mich heute kein gutes Vorbild. Wirklich nicht! - Aber wir kennen die Geschichten: Er ließ Menschen mit Aussatz, also mit ansteckender Lepra, zu sich kommen, fasste sie an, und sie wurden heil. Oder er heilte am Sabbat, wo man nach Gottes Gebot, so wie man es damals verstand, nicht arbeiten durfte – also auch nicht heilen durfte. Das machte Jesus trotzdem. Und machte sich Feinde. Deshalb wurde er schließlich ans Kreuz gebracht. Doch genau diese Geschichten haben die Menschen nicht vergessen. Und deshalb sagen sie: Er lud auf sich unsere Krankheit. Durch seine Wunden sind wir geheilt.

So steht er schon ganz richtig hier, dieser besondere Christus in dieser besonderen Kirche. Ich bin sicher, Elisabeth wäre sehr einverstanden mit diesem Kreuz. Ich will jetzt keine Elisabethgeschichten erzählen. Will aber sagen, dass wir uns hier vor diesem Kreuz einfach nur stärken und trösten lassen können, gegenüber all dem, was uns zurzeit so schmerzt und bewegt. Dass Menschen mutig sind, und anderen helfen. Dass sie oft gar nicht anders können als in Konflikt zu geraten mit den Regeln, dass sie vielleicht an Grenzen gehen und sogar schuldig werden, auf allen Seiten. Was natürlich kein Freibrief sein darf für Leichtsinn; was aber sagt: Wir kommen nur durch diese Zeiten, wenn wir trotz allem festhalten daran, dass wir füreinander da sind, dass wir solidarisch bleiben, aufmerksam, vorsichtig und mutig zugleich. Und dass wir alle wissen, wir brauchen Vergebung, Versöhnung. Das ist die Botschaft, die von diesem Kreuz ausgeht. Durch seine Wunden sind wir geheilt. Er selbst geht durch den Tod ins Leben. Er lässt den Kopf nicht sinken. Die Augen schon geschlossen, schaut er doch nach vorn. Er wird auferstehen, und er wird denen zurufen, die ihm begegnen: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben!“


Gemeindelied EG 83 6

Das soll und will ich mir zunutz
zu allen Zeiten machen;
im Streite soll es sein mein Schutz,
in Traurigkeit mein Lachen,
in Fröhlichkeit mein Saitenspiel;
und wenn mir nichts mehr schmecken will,
soll mich dies Manna speisen;
im Durst soll´s sein mein Wasserquell,
in Einsamkeit mein Sprachgesell
zu Huas und auch auf Reisen.


Fürbittengebet

Barmherziger, guter Gott, Du selbst bist Mensch geworden in Jesus Christus. Durch Höhen und Tiefen bist du gegangen. Hast unseren Schmerz ertragen, unsere Krankheit, unsere Wunden – bist durch den Tod gegangen, hindurch gegangen in ein neues Leben.

Wir bitten dich mach auch uns neu.

Heile unsere Füße, dass sie den Weg des Lebens gehen.

Heile unsere Hände, dass sie zupacken, nehmen und geben und mit anderen teilen.

Heile unsere Ohren, dass sie den Schrei der Leidenden hören.

Heile unsere Augen, dass sie das Schöne sehen und die Not.

Heile unsere Zunge, dass sie dein Lob singt und Mut zuspricht.

Heile unseren Verstand, dass wir mitdenken, wach und kritisch und wissen, was jetzt zu tun ist.

Heile unser Herz, dass es glauben kann und vertrauen, Liebe geben und empfangen kann.


Stille


Vater unser


Bekanntmachungen


Gemeindelied EG+ 142

Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten.
Es ist doch ja kein andrer nicht, der für uns könnte streiten,
denn du, unser Gott, alleine, denn du, unser Gott, alleine!
Halleluja, Kyrie eleison: Herr Gott erbarme dich!
Halleluja, Kyrie eleison: Herr Gott erbarme dich!


Segen,
gesprochenes Amen


Musik zum Ausgang: Agnus Dei, aus der Messe von Michael Haydn


Mitwirkende:

Kantorei der Elisabethkirche
Leitung und Orgel: Nils Kuppe
Lesung: Inge Reifenberg
Liturgie u. Predigt: Helmut Wöllenstein

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