Das große vergoldete Kreuz ist im neoromanischen Stil des ausgehenden 19.Jahrhunderts reich mit Reliefs, Schnitzwerk, Filigran und Email mehrfarbig gestaltet. Es vereint biblische Themen mit dem Motiv der heiligen Elisabeth. Drei Drachenwesen und durchbrochene Reliefs von Höllenhunden bilden in Anlehnung an romanische Vorbilder den Fuß.
Das Kreuz ist zweiseitig gearbeitet. Es wird von einem gedrehten Schaft mit Blumenornament und filigranem Knauf getragen. Die Kreuzvorderseite zeigt zentral die gekreuzigte, aus Elfenbein geschnitzte Christusfigur vor mehrfarbig emailliertem Nimbus. Ein feines Muster aus Filigran, Blattwerk und kleinen Blüten überzieht die Kreuzarme. (Am oberen Arm fehlt die Applikation. Hier war zusätzlich ein Stein gefasst.) Stilisierte, dreipassige Lilien an den Kreuzarmen und ein Vierpass am Stamm zeigen Reliefs der Evangelistensymbole vor blauen Emailmedaillons, neogotische Floralmuster in Grubenschmelz und umlaufende lateinische Schriftbänder.
Die Rückseite ist ausschließlich graviert und punziert. Ein Medaillon mit dem Lamm Gottes in der Vierung sowie drei Rundbilder mit Darstellungen des Pelikans mit seinen Jungen (Opfertod), des Phönix (Wiedergeburt) und des segnenden und thronenden Christus durchbrechen das flächendeckende Floralmuster der Kreuzarme. Den Stamm dominiert die ganzfigurige Elisabeth vor teppichartigem Kreuzmuster. Elisabeth ist als Fürstin mit Krone dargestellt. Sie zeichnet sich durch den Nimbus sowie das Kirchenmodell auf ihrer Hand und ein Schriftband aus. Drei große, in eine blühende Pflanze eingebundene Wappenschilder zieren den Kreuzfuß. Sie benennen die Bauherren der Elisabethkirche, den Deutschen Orden und die Landgrafen von Thüringen.
Das eindrucksvolle Kreuz findet in der Literatur kaum Erwähnung. Dank einer lateinischen, jedoch stark korrodierten Inschrift auf der Rückseite des Kreuzstamms unterhalb der Wappen lässt sich seine Geschichte rekonstruieren. Demnach wurde es 1883 anlässlich der 600. Weihefeier der Elisabethkirche gefertigt und von Marburger Bürgern gespendet. Den Entwurf fertigte eigens der Konservator des Marburger Kulturmuseums und Denkmalschützer Ludwig Bickell. Mit der Ausführung wurde die renommierte Aachener Werkstatt August Witte beauftragt.
Beide Tatsachen zeichnen das Kreuz aus: Zunächst handelt es sich nicht nur in der Motivwahl, sondern auch in der Komposition um ein Unikat.
Zur Herstellung wurde eine spezielle Zeichnung von einem Fachmann angefertigt und nicht auf ein gewöhnliches Modell zurückgegriffen. Der ausführende Goldschmied, ein Handwerker aus Aachen, wurde sicherlich auch mit Bedacht gewählt. Das Zentrum für Sakralkunst befand sich im 19. Jahrhundert im Rheinland. Einzelne Ateliers spezialisierten sich auf die handwerkliche Anfertigung von liturgischem Gerät. Zudem wurde ihnen besondere Förderung durch einflussreiche Persönlichkeiten wie Alexander Schnütgen und Franz Bock zuteil.