„Seht, ich habe es euch doch gesagt, wir sollen die Menschen fröhlich machen.”

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Verborgene Kunstschätze: Der Elisabethschrein

Als das prominenteste „bewegliche“ Ausstattungsstück der Elisabethkirche kann wohl der Elisabethschein bezeichnet werden. Er ist ein einzigartiges Beispiel mittelalterlicher Goldschmiedekunst aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts und kunsthistorisch von höchster Bedeutung.

Der Elisabethschrein: Bereits seine architektonische Form, ein Langhaus mit zentralem Querhaus, findet kaum Vergleichbares. Die hölzerne Lade ist vollständig von einem feuervergoldeten Metallgehäuse aus getriebenen, teils gegossenen Kupfer- und Silberarbeiten ummantelt. Große Figuren der Elisabeth, der Maria mit Christuskind und dem thronenden Christus dominieren die Ansichtsseiten. Seitlich des Querhauses sitzen die zwölf Apostel in Nischen. Acht Flachreliefs auf den Dachflächen vervollständigen das Bildprogramm mit Darstellungen aus Elisabeths Leben. Zusätzlich schmücken Filigran, farbige Emailplatten, Edelsteine, Halbedelsteine, Gemmen, Glasflüsse, Perlmutterstücke und Perlen sowie große Dachknäufe den Schrein.

Aufgrund seiner reichen, künstlerisch und materiell vielseitig gearbeiteten Erscheinung erregte der Schrein in den vergangenen Jahrhunderten stets Aufmerksamkeit und weckte aus unterschiedlichen Gründen Begehrlichkeiten. Viele Geschichten ranken sich um ihn und hinterließen Spuren auf seinem Äußeren.

Die große Leerstelle im Querhaus gegenüber dem thronenden Christus erinnert an das verheerendste Geschehnis. Es ereignete sich während der französischen Besatzung durch Kaiser Napoleon. Napoleon hatte 1807 seinen jüngsten Bruder Jérôme als Herrscher im neugegründeten Königreich Westphalen mit Regierungssitz in Kassel eingesetzt. Jérôme zeigte großes Interesse an den Kunstgütern seiner Krondomäne, zu der auch Marburg und seine Besitzungen wie die Elisabethkirche gehörten. Er befahl nach Begutachtung des Schreins durch den Marburger Professor der Chemie und Mineralogie Johann Christoph Ullmann am 19. November 1810 die Überführung des Kunstwerks in seine königliche Schlosskapelle nach Kassel.

Wider Erwarten wurde der Schrein dort infolge eine Schlossbrandes am 24. November 1811 weiteren Gefahren ausgesetzt. Der Schrein wurde zwar gerettet, stand jedoch zunächst unbeaufsichtigt einige Stunden im Schlosshof, wechselte dann ins Museum Fridericianum, gelangte in der Folgezeit in ein Depot für kurfürstliche Möbel und wurde schließlich in der Wohnung eines Offiziers untergestellt. Am 29. Juli 1813 konnte der Schrein unter Einsatz des Bischofs von Wendt und des Fürstbischofs von Corvey wieder in ein Gotteshaus, die Elisabethkirche in Kassel, versetzt werden. Von dort wurde er am 2. August 1814, nach Beendigung der französischen Herrschaft und der Rückkehr des Kurfürsten aus dem Exil, wieder in die Sakristei der Marburger Elisabethkirche zurückgeführt.

Die anschließende Untersuchung des Schreins durch Professor Ullman und Zinsmeister Johann Jacob Feyler offenbarte die Veränderungen seit der Beschlagnahmung. Ullmann hatte vor der Abwanderung nach Kassel sämtliche Juwelen am Schrein gezählt und Siegelabdrücke der Gemmen angefertigt. Somit konnte die Differenz der Schmuckstücke exakt beziffert werden.

Des Weiteren waren gravierende Beschädigungen an einzelnen Figuren, ein besonderer Kameo und das fehlende Motiv im Querhaus festgestellt worden. Hier befand sich ursprünglich ein Baumkreuz mit dem Korpus Christi und darüber ein Engel. Zusammen mit der erhaltenen Marien- und Johannesfigur bildeten sie eine Kreuzigungsdarstellung, die nun nur noch in einer Grafik von 1692 überliefert ist. Anstelle des Engels trägt der Schrein seitdem die kaum lesbare, eingeritzte Inschrift „Joh. Christoph Ullmann 17. Sept. 1814 / Joh. Jacob Feyler 14. Sept. 1814 / nach dem Raub durch die / Franzosen von 117 Edelsteinen“. Sie dokumentiert den Verlust und bezeichnet gleichzeitig dieses schicksalhafte Ereignis.

Neben solchen gewaltsamen Eingriffen in der Vergangenheit ist der Schrein auch stets natürlichen Widrigkeiten ausgesetzt. Klimatische Bedingungen wie Feuchtigkeit setzen den verarbeiteten Metallen und den Steinfassungen zu. Der Schrein wurde zuletzt 1931 restauriert. Eine grundlegende Restaurierung zur Erhaltung des kostbaren Kunstwerks ist dringend erforderlich.

Quellen:
BICKELL, Ludwig, Zur Erinnerung an die Elisabethkirche zu Marburg und zur 6. Säcularfeier ihrer Einweihung, Marburg 1883. KOLBE, Wilhelm, Die Kirche der heiligen Elisabeth zu Marburg; Zum sechshundertjährigen Weihetag der St. Elisabethkirche dem ersten Mai 1883, Marburg 1883.
LEMBERG, Margret, Der Elisabethschrein, die erstaunliche Karriere eines Kunstwerks: item sant Elizabeth im kasten, Marburg 2013.
LEPPIN, Eberhard, Die Elisabethkirche in Marburg, Marburg 1983.