„Seht, ich habe es euch doch gesagt, wir sollen die Menschen fröhlich machen.”

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Verborgene Kunstschätze: Juppe Elisabeth und "französische" Elisabeth

Französische Elisabeth. Foto: Christian Lademann

Juppe Elisabeth. Foto: Christian Lademann

In der Elisabethkirche stehen zwei ähnliche und doch recht verschiedene, farbig gefasste Holzfiguren der Kirchenpatronin. Beide erfuhren zu unterschiedlichen Zeiten Bewunderung und prägten das Bild der Heiligen. Sie wurden zu festen Bildtypen in der plastischen Kunst.

Die beiden Elisabethfiguren.: Die grundsätzlichen Merkmale stimmen überein: Elisabeth ist ganzfigurig und rundplastisch dargestellt, vornehm gekleidet, bekrönt und trägt das Modell der Elisabethkirche auf ihrer linken Hand. Nur wenige Jahre trennen beide Figuren voneinander. Der offensichtliche Unterschied liegt jedoch in ihrem Habitus.

Die prominentere Elisabethfigur wurde zwischen 1470 und 1500 geschaffen und befindet sich öffentlich zugänglich im nördlichen Seitenschiff auf einem ehemaligen Seitenaltar angrenzend an den Elisabethchor. Ein kapellenartiges, vom Marburger Bildschnitzer Ludwig Juppe Anfang des 16. Jahrhundert gearbeitetes Gehäuse umfasst die 135,5 cm hohe Skulptur. Diese Figur zeichnet sich durch ihre feine Gestaltung aus, die ihr trotz mangelndem Herkunftsnachweis, die Bezeichnung „französisch“ einbrachte. Stilistisch steht sie dem Grabmal Landgraf Ludwig I. in der Elisabethkirche nahe und könnte somit Meister Hermann [Kahl] zugeschrieben werden.

In ihrer aufrechten, grazilen Haltung, dem zarten, äußerst schlanken Körperbau und der kostbaren Gewandung aus goldenem, gemustertem, eng gegürtetem Kleid mit Hermelinmantel verkörpert sie die anmutige, junge Fürstin. Ein Kopfschleier fasst ihr erhobenes Haupt ein und rahmt das filigrane Gesicht. Die große Blattkrone unterstreicht ihre adelige Herkunft. Ihr Attribut, das Modell der Elisabethkirche, ist nah am architektonischen Vorbild gearbeitet und vollendet den kunstvollen Gesamteindruck: Elisabeth als wohlhabende, milde Fürstin und Stifterin der Kirche. Diese Figur erfreute sich bereits in früheren Jahrhunderten besondere Beliebtheit. Im Jahr 1820 wurde der Darmstädter Hofarchitekt Georg Moller mit der bautechnischen Dokumentation der Elisabethkirche beauftragt. Seine Architekturzeichnungen beschränken sich auf die Wiedergabe des Innenraums. Das bewegliche Inventar war ausgeblendet - mit Ausnahme von der Elisabethfigur im Gehäuse als Teil des Elisabeth-Mausoleums.

Weitaus weniger bekannt ist die zweite, nur 108cm große Elisabethfigur mit Kirchenmodell im Zelebrantenstuhl des Hochchors. Sie wird Ludwig Juppe, dem Schnitzer des erwähnten Gehäuses zugeschrieben und um 1510 datiert. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts rückt sie plötzlich in den Fokus. Der Architekt Karl Schäfer hebt sie in seinem „Inventarium“ zu Kunstwerken der Elisabethkirche aus dem Jahr 1873 als „prachtvoll“ hervor. Eine illustrierte Würdigung erfolgte wenig später, anlässlich des 600. Weihetages der Elisabethkirche durch Wilhelm Kolbe, den Pfarrer der Elisabethkirche. Er beschreibt sie in seiner Festschrift 1882 als „ganz vortreffliche“ Statue mit „höchst edlem Gesichtsausdrucke und ausgezeichnetem Faltenwurf ihres Gewandes“.

Diese Figur zeigt Elisabeth zwar als junge Fürstin mit Witwenschleier und Krone. Ihre Körperhaltung spricht jedoch eine demütige Sprache. Mit geneigtem, durch den Schleier teils verdeckten Blick widmet sie sich fürsorglich einer, links vor ihr knienden, kleinen, hilfesuchenden Figur und reicht dieser ein Brot. Der Mantel dient der Verhüllung des Körpers und nicht der Präsentation. Diese schlichtere, bürgernähere und aufopferungsvolle Darstellung kam dem idealen Elisabethbild um 1900 wohl am nächsten. In Schriften zum 700. Jahrestag ihrer Geburt (1907) und ihres Todes (1931) bildete diese Elisabethfigur in Abbildungen den Typus und prägte den Kunstmarkt. In der Elwert´schen Universitäts-, Buch- und Kunsthandlung in Marburg standen Abgüsse der Skulptur zum Verkauf. Das Bildnis regte zu Nachbildungen an und war weit verbreitet. Ein Beispiel stellt die Holzfigur in der katholischen Kirche St. Elisabeth in Waldkappel dar.

Die geringere Wahrnehmung dieser Figur seit ihrer Entstehung kann auch mit ihrer durchweg unvorteilhaften Aufstellung im Kirchenraum zusammenhängen. Nach dem Bildersturm diente sie als grau gestrichener Platzhalter auf einer Konsole am nördlichen Mittelpfeiler. Im Rahmen der Innensanierung 1854-1861 wanderte sie restauriert auf den kaum zugänglichen Zelebrantenstuhl. Die wechselhafte Verwendung hatte Spuren hinterlassen:  Die Türme des Kirchenmodells, Elisabeths rechte Hand mit dem Brot und Teile der kleinen Figur sowie der Krone mussten ergänzt werden. Ihr heutiges farbig gefasstes Erscheinungsbild dokumentiert den Zustand und die Ästhetik des 19. Jahrhunderts.

Quellen:
BLUME, Dieter; WERNER, Matthias, Eine europäische Heilige- Elisabeth von Thüringen, Katalog, Petersberg 2007.
KOLBE, Wilhelm, Die Kirche der heiligen Elisabeth zu Marburg; Zum sechshundertjährigen Weihetag der St. Elisabethkirche dem ersten Mai 1883, Marburg 1883.
LEMBERG, Margret, Die Flügelaltäre von Ludwig Juppe und Johann von der Leyten in der Elisabethkirche zu Marburg, Marburg 2011.
LEPPIN, Eberhard, Die Elisabethkirche in Marburg, Marburg 1983.
RUST, Claudia, St. Elisabeth in Waldkappel - Eine Kirche der Nachkriegszeit im Bistum Fulda, in: Hessische Heimat, 69.Jg., 2019, Heft 1, S. 10-16.
Wiederweihe der Elisabethkirche und Gedächtnis des 700jährigen Todestages der Heiligen Elisabeth in der St. Elisabethkirche zu Marburg an der Lahn: Do., 19. Nov. 1931, vorm. 9 1/2 Uhr, Marburg 1931.

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Bildergalerie zu den beiden Elisabethfiguren